Programmtexte


KASTELEWICZ music in progress bietet das Erstellen von Einführungs- und Programmhefttexten. Dazu übernimmt die Agentur die wissenschaftliche Recherche und führt persönliche Interviews mit Künstlern und Komponisten.

Für das Jahr 2016 übernahm sie die inhaltliche Gestaltung der Programmhefte der Internationalen Sommerakademie der Universität Mozarteum in Salzburg und des Festivalkatalogs Wien Modern 29 A-Z.

17. Juli
Festkonzert zur Eröffnung
21. und 22. Juli
Uraufführung Georg Friedrich Haas: „Das kleine Ich-bin-ich“
24. Juli
Meisterkonzert I
6. August
Meisterkonzert II
7. August
Meisterkonzert III
8. August
Porträtkonzert Friedrich Cerha
15. August
Meisterkonzert IV
20. August
Meisterkonzert V
21. August
Meisterkonzert VI

Jeden Sommer organisiert die Universität Mozarteum Salzburg im Juli und August die Internationale Sommerakademie, die mit mehr als 60 Meisterklassen und 800 bis 1.000 Teilnehmern eine der weltweit größten und renommiertesten Institutionen ihrer Art ist.

Auszüge aus den Programmheften :

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Die Instrumente
Der Komponist Georg Friedrich Haas teilt die Musiker in zwei Gruppen: Streicher, Schlagzeug und Akkordeon begleiten als Orchester, während Bläser und Harfe als Solisten zunächst hinter einem Vorhang versteckt musizieren, um dann auch auf der Spielfläche aufzutauchen. Für die Musiker des Klangforum Wien bedeutet dies, diese Passagen auswendig zu musizieren. Haas ist dankbar, dass die Musiker diese Herausforderung annehmen und das Experiment zur Uraufführung wagen.

Die Komposition
Ein Vergleich mit dem musikalischen Märchen Prokofjews „Peter und der Wolf“ ist naheliegend. Während bei Prokofjews thematisches Material und Motive mit ihren zugeordneten Tieren in der Geschichte und Musik wiederkehren, tauchen in der Geschichte von Mira Lobe die Tiere nacheinander und (bis auf eine Ausnahme) nur einmalig auf. Die von Haas den Tieren zugeordneten Instrumente und musikalischen Passagen erklingen demnach nacheinander und nur einmalig im Stück. Zum Glück: „Ich wüßte auch gar nicht, wie ich die Basstuba hätte wieder auftauchen lassen sollen“ so äußert sich Haas scherzhaft in einem Gespräch.
Mit diesem Stück und dieser Geschichte möchte der Komponist in Interaktion mit dem Publikum treten. Kinder, Eltern und Freunde werden eingeladen, sich am Geschehen zu beteiligen, mit zu singen und Texte mit zu sprechen. Dazu soll es vor Beginn des Stückes eine kleine Probe mit dem Dirigenten Johannes Kalitzke geben. Die Erkenntnis „ich-bin-ich“ soll regelrecht miterlebt werden.
Nicht nur inszenatorisch, sondern auch musikalisch wird es spannend. Seine im Werk verwendeten Kompositionstechniken möchte Haas nicht verraten – die Zuhörer sollen hören, sollen erleben. Die Techniken sind nur dazu da, das Gewünschte umzusetzen und auszudrücken. Ursprünglich revolutionäre Kompositionstechniken des 20. Jahrhunderts wie Mikrotonalität, Serialität oder Zwölftontechnik sind heute Gang und Gäbe. Haas nutzt alles, was möglich ist. Entscheidend ist für ihn dabei allein der Klang, das Klangerlebnis.
„Erwarten Sie keine Melodien zum Nachpfeifen. Hören Sie einfach mit offenen Ohren“.
Was werden wir also hören?
Ein Klangdrama!
So viel darf verraten werden: An einschneidender Stelle taucht ein unerwarteter sehr schöner Klang auf – der sich bis zum Schluss hin zieht und noch aufbaut.

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Text und Interview: Anna Barbara Kastelewicz

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Friedrich Cerha ist der Senior der österreichischen Komponisten der Gegenwart und hat in seiner langen Wirkungszeit die Entwicklung des musikalischen Lebens in Österreich entscheidend mit­gestaltet. Dies nicht nur durch seine Werke, deren Liste entsprechend umfangreich ist, sondern auch durch die Vielzahl von Aktivitäten und Funktionen, die er ausübte.

Insbesondere galt sein Engagement der Förderung, Entwicklung und Verbreitung der Neuen Mu­sik. Eine hohe öffentliche Anerkennung für dieses Bemühen war seine Präsidentschaft in der Österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) (1968 – 1975) und seine spätere Ehrenmitgliedschaft. Schon 1958 gründete er zusammen mit seinem Kom­ponistenkollegen Schwertsik das Ensemble „die reihe“. Das Wiener Publikum sollte hier mit der klassischen Moderne sowie mit den neuesten Tonschöpfungen bekannt gemacht werden. In der Folgezeit unterrichtete er ab 1959 an der Wiener Musikakademie verschiedene Fächer und leitete von 1964 bis 1970 einen Sonderlehrgang für elektronische Musik. Aber auch als Violinist und als Dirigent bzw. Leiter von Ensembles, Orchestern und Opern trat er bei namhaften Institutionen, Opernhäusern und Festivals auf, die sich der Pflege der Neuen Musik widmeten.

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Text: Anna Barbara Kastelewicz

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„Trübe Wolken“ erklingen gespenstisch und experimentell zugleich. Liszt gestaltete ein Funda­ment mit Halbtonbewegungen und verminderten Dreiklängen und verbindet sie mit einer Melodie basierend auf einer ungarischen Moll-Tonleiter, der Zigeuerntonleiter mit zwei übermäßigen Se­kundschritten. Diese „Zingarese-Figuren“ verwendete Franz Liszt vor allem auch in seinen Unga­rischen Rhapsodien. Die Satzstruktur ist frei.

„Nuages gris“ weist kompositorisch bereits in die Zukunft. „Nuages gris“ inspirierte nachfolgende Komponistengenerationen zu ihren Kompositionen – wie Debussy zu „Nuages“ und später auch Kagel zu „Unguis incarnatus est“ und Holliger zu „Zwei Liszt-Transkriptionen“.

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Text und Interview: Anna Barbara Kastelewicz

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Um 1730, der Entstehungszeit dieser Fantasie und Fuge g-Moll, BWV 542, war Bach bereits zehn Jahre im Amt als Thomaskantor in Leipzig tätig. Sein Einkommen war nicht allzu „favorable“, seine Auf­gaben dagegen enorm. Für jeden Sonntag hatte Bach eine neue Kantate zu komponieren und aufzuführen. Außerdem musste er Latein an der Thomasschule unterrichten. Dazu kamen mu­sikalische Dienste bei Begräbnissen, Trauungen und anderen Festlichkeiten, um das spärliche Grundhonorar ein wenig aufzubessern.

1729 übernahm er zusätzlich die Leitung des „Telemannischen“ Collegium musicum, das ein- oder zweimal wöchentlich, vorwiegend in Leipziger Kaffeehäusern, Instrumentalwerke vortrug. Hier setzte Bach erstmals in größerem Umfang das Cembalo als Soloinstrument ein – vielleicht auch, um seinen beiden ältesten Söhnen Gelegenheit zu geben, solistisch aufzutreten und entspre­chende Erfahrungen zu sammeln.

Daneben versuchte er seinen Wirkungskreis über die Leipziger Amtsgeschäfte hinaus zu erweitern, unternahm Reisen und übernahm Auftrags- und Huldigungskomposi­tionen. Ein Gesuch an den Dresdner Kurfürsten und die Widmung der h-Moll Messe an denselbigen zum Beispiel brachten ihm den Titel des sächsisch-polnischen „Hoff-Compositeurs“.

Es zeugt von der Genialität und Schaffenskraft Bachs, dass er in dieser Situation so viele gewal­tige Meisterwerke schuf und aufführte. Es begann eine Periode, in der er sich zunehmend der Instrumentalmusik – vor allem für Orgel und Cembalo – zuwandte.

Bei diesem Umfang an Arbeit nimmt es nicht Wunder, dass Bach bei seinen Kompositionen auf bereits bestehende Werke zurückgreift und diese bearbeitet. Sämtliche der dreizehn Konzerte für ein oder mehrere Cembali mit Streichern und Basso Continuo sind Bearbeitungen eigener oder fremder Ensemblekonzerte – bis auf eine Ausnahme: Dieses Concerto in C-Dur für 2 Cembali.

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Text: Anna Barbara Kastelewicz

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In dem heutigen Konzert erleben wir Thomas Riebls fünfsaitige Tenor-Viola, gebaut von Geigen­baumeister Bernd Hiller. Sie wurde nach den Wünschen von Riebl selbst gebaut. Eine konstruktive Aufgabe: Eine Viola, die noch leicht genug ist, um sie auf dem Arm spielen zu können, doch aber so viel Festigkeit besitzt, dass sie dem Druck der tieferen und zusätzlich entwickelten F- bzw. E-Saite standhalten würde.

Auslöser für diesen Auftrag Riebls war Schuberts Arpeggione-Sonate, die für ein Instrument, nämlich den Arpeggione, geschrieben wurde, das heute nur noch in den Museen zu finden ist. Die heutigen Bratschisten spielen dieses Werk auf der Viola – und müssen manche Passagen okta­vieren, d.h. an einigen Stellen in die höhere Oktave ausweichen, da ansonsten Töne nicht spielbar wären. Riebls Wunsch war nun, das Stück im Original spielen zu können.

Um das Original-Repertoire für das nun gewonnene Instrument zu erweitern, beauftragte Riebl Komponisten, für dieses Instrument Stücke zu schreiben. So entstand z.B. 2011 Rudolf Jungwirths (*1955) „Élégie – Hommage à Gérard Grisey für fünfsaitige Tenorbratsche“, die Thomas Riebl gewid­met ist. Auch der junge Komponist Michael Andreas Grolid, der selber Violine und Viola spielt, er­hielt so einen Kompositionsauftrag. Er nahm sich dieses besonderen Instrumentes an und kompo­nierte sein „Image“ für fünfsaitige Tenorbratsche. Kennengelernt hatte er Thomas Riebl auf einem Meisterkurs, den Riebl in Norwegen gab. Dort spielte Grolid mit seinem Streichquartett auch eine eigene Komposition. Dies schien Riebl zu begeistern, sodass es zu dem Kompositionsauftrag kam.

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Text und Interview: Anna Barbara Kastelewicz

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Ungarische Volksmusik und Zigeunermusik
Beide Musiker, Zoltán Kodály und Béla Bartók, haben auf ihre besondere Weise zur Entwicklung eines national geprägten ungarischen Musikstils im europäischen Kontext beigetragen. Sie etablierten Erneuerungen in der ungarischen Musik Anfang des 20. Jahrhunderts.
Mit Hingabe erforschten beide die musikalischen Wurzeln ihres Volkes – sicher auch motiviert vom Trend der Zeit, dem aufkommenden Nationalbewusstsein gegen Ende des 19. Jahrhunderts und verstärkt durch die völlige staatliche Selbständigkeit Ungarns nach 1918.
Beide untersuchten wissenschaftlich die ungarische Volksmusik aus den verschiedenen ungarischen Regionen – Lieder und Tanzmusik, die in schriftlichen, phonographischen oder mündlichen Überlieferungen bei der Landbevölkerung noch reichlich vorhanden waren. In einer Feldforschung trugen beide in nur wenigen Jahren drei- bis viertausend dieser Melodien zusammen, systematisierten und veröffentlichten sie erstmals 1906.
Es zeigte sich, dass die aufgenommenen Melodien sich deutlich von den im 19. Jahrhundert so beliebten und idealisierenden „Zigeunermelodien“ unterschieden. Die lebendige Musik der vornehmlich auf dem Lande lebenden Bevölkerung hatte nur wenig mit der beliebten Kunstmusik zu tun, die, unter dem Begriff „Zigeunermusik“, missverständlich für typisch ungarisch gehalten wurde. Gerade die Unterschiede z.B. zum Dur-Moll-System und dem Symmetrie-Ideal der klassischen Melodiebildung, die sie in den verschiedenen Regionen fanden, waren für sie von Interesse.

Musikalischer Ausgangspunkt
Diese Ergebnisse waren für beide, für Kodály und für Bartók, Ausgangspunkt für die eigene kreative musikalische Entwicklung. Doch zogen beide für ihre Kompositionen unterschiedliche Schlüsse und gingen verschiedene Wege.
Bartók nutzte die folkloristischen Melodien und verstärkte die vorgefundenen Elemente, wie Rhythmus, Formen, melodische Motive und auch Simplizität. Seine Musiksprache wies in westeuropäische avantgardistische Richtungen, entsprechend der Strömungen der Zeit.
Kodály dagegen nahm die Melodien auf und versuchte sie direkt in seine Kompositionen zu integrieren. Er verwendete authentische Melodien und Melodieteile. Dieser Grundsatz, der konsequente Rückgriff auf authentische Volkslieder, geht so weit, dass sogar eine ganze Oper, „Die Spinnstube“, aus originalen Volksliedern und Tänzen aufgebaut ist. Sie wurde 1932 in Budapest aufgeführt. In anderen Kompositionen, wie z.B. bei seinen Variationen „Der Pfau“, ist zumindest das Thema einem Volkslied entnommen oder es werden neben originalen Volksliedern auch Melodien verwendet, die

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Text: Anna Barbara Kastelewicz